Lackpflege spezial – Dino


Einmal waschen und polieren bitte! Viele Autobesitzer geben Ihr Auto in fremde Hände, ohne genau zu wissen, was der Autopfleger mit ihnen anstellt. Hauptsache, das Ergebnis stimmt… Dabei kommt es gerade bei Autos mit einer so langen Lebenserwartung wie der eines Ferrari darauf an, sensibel vorzugehen, denn die Schichtdicke eines Lacks ist endlich. Noch dazu steht der Originalzustand heute höher im Kurs denn je, und man darf nie original mit originalgetreu verwechseln. Experte Semir Kunic aus Hofheim zeigt uns anhand eines Dino 246 GT, wie man ein Auto mit würdiger Patina schonend zum Glänzen bringt.

Jede Fahrzeugaufbereitung beginnt mit einer Bestandsaufnahme und einer genauen Absprache mit dem Kunden, was zu tun ist. Zugegeben, die meisten Ferrari glänzen. Exemplare mit mattem Lack sind selten und selbst ein dreckiger Ferrari ist schwer zu finden. Viele Besitzer entfernen Bremsstaub und Fliegen nach jeder Ausfahrt (allerdings oft mit auf lange Sicht viel zu aggressiven Mitteln, doch das soll an dieser Stelle nicht unser Thema sein). So gesehen ist der Dino 246 GT von Götz Seidel eher eine Ausnahmeerscheinung, erst Recht, weil es sich nicht um einen Ferrari jüngeren Datums handelt, sondern um einen über 40 Jahre alten Klassiker. Der Architekt aus Wiesbaden benutzt seinen Dino regelmäßig, was man dem Wagen auch ansieht. Obwohl gepflegt, trägt der Wagen Spuren der einen oder anderen sommerlichen Reise. Gerade weil es sich um einen Oldtimer handelt, stellt die Aufbereitung des Lacks besondere Ansprüche. Götz Seidel fährt mit seinem Dino bei Semir Kunic vor, einem in der Szene anerkannten Experten im Umgang mit historischen Lacken. Das Rosso Dino ist gut vier Jahrzehnte alt, der ursprünglich mit einem Metalliclack ausgelieferte 246 GT erhielt es als junger Gebrauchter. Womit auch dieser Lack historisch ist und weit mehr Teil der Geschichte des Autos, als das ursprüngliche Silber, das der Wagen nur kurz trug.

Semir Kunic soll dem Lack nun zu neuem Glanz verhelfen, und ihm dabei so wenig wie möglich von seiner Substanz nehmen, sowie den Wagen im Detail so weit wie möglich schonend reinigen, Radhäuser, Chromzierrat und Innenraum inbegriffen.

WASCHEN – Alles muss schön sauber sein

Der 246 GT ist schon eine Weile nicht mehr gewaschen worden. Sein Besitzer fährt ihn vielleicht etwas häufiger, als Ferrari (und Dino) aus dieser Zeit üblicherweise bewegt werden. 2018 war er zum Beispiel beim 50-jährigen Dino-Jubiläum in Maranello. Diese und andere Ausfahrten habe ihre Spuren hinterlassen. Und die gilt es, nun Schritt für Schritt zu beseitigen. Schritt eins ist eine gründliche Reinigung von Hand.

Mit dem richtigen Reiniger fängt es an: Semir Kunic benutzt ein Shampoo mit dem neutralen pH-Wert 7. Hier eignet sich auch Neutralreiniger aus dem Haushaltswarenbedarf, der ebenso schonend und effektiv, aber deutlich günstiger ist als spezielle Auto-Shampoos. Der Wagen wir zunächst nass gemacht und dann von Hand shampooniert. Anschließend wird der Dino mit dem Dampfstrahler abgespült und danach mit Druckluft trocken geblasen.

Den Felgen rückt Semir Kunic mit wenig aggressivem Felgenreiniger zu Leibe. Gut zu wissen, dass es sich bei den Felgen um Reproduktionen aus einer moderneren Legierung mit hohem Aluminiumanteil und nicht um originale Magnesium-Felgen mit Erstllack handelt – bei ihnen müsste man nochmals vorsichtiger vorgehen.

Erst als der Dino sauber dasteht, zeigt sich der wahre Zustand des Lacks. Das Rosso Dino zeigt feine Haarrisse. Würde es sich um ein Ölgemälde handeln, würde man von „Craquelé“ sprechen. Die feinen Risse sind Teil der Patina, sollen und werden erhalten bleiben. Allerdings soll verhindert werden, dass durch sie Feuchtigkeit eindringt und den Lack unterwandert.

MATERIAL – Auf das richtige Werkzeug kommt es an

Einen guten Aufbereiter erkennt man daran, dass er mehr als eine Poliermaschine besitzt. Dazu kommt eine Auswahl an Aufsätzen in unterschiedlichen Größen und Härtegraden, denn nicht jeder Bereich ist mit einer Standard-Poliermaschine erreichbar, so gut sie auch sein mag. Welche Politur zum Einsatz kommt, entscheidet der Profi von Fall zu Fall. Gute Polituren gibt es von vielen Herstellern. Immer gilt, das Mittel zu verwenden, das so mild wie möglich und nur so aggressiv wie unbedingt nötig ist. Mit viel Materialabtrag lässt sich zwar schnell Glanz erzeugen, doch Substanzverlust gilt es bei historischem Lack unbedingt zu vermeiden.

RADHÄUSER UND FELGEN – Sauber nicht nur von oben

Zu einer gründlichen Aufbereitung gehört auch eine Wäsche von unten. Mit dem Dampfstrahler reinigt Semir Kunic die Radhäuser, die meist zu kurz kommen, wenn man den Wagen selbst von Hand wäscht. Sofort ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen. Wenn die Felgen schon einmal abgenommen sind, bietet es sich an, diese auch auf den Innenseiten von Bremsstaub und anderen Ablagerungen zu befreien. Da die Felgen deutlich jünger sind als das Auto, kommt der Unterschied hier besonders gut zur Geltung. Um die Felgeninnenseiten längerfristig zu konservieren, könnte optional eine hauchdünne Schicht Sprühöl aufgetragen werden, doch wegen des vergleichsweise jugendlichen Alters der Felgen verzichtet Semir Kunic hier darauf. Anders bei den Radhäusern: Nach der Reinigung überzieht der Experte sie mit einem hauchdünnen Film eines für die Konservierung hochwertiger, lackierter Oberflächen gedachten Öls. Der Glanz des Öls verstärkt den ohnehin schon sauberen Eindruck. Obwohl nur dünn aufgetragen, verschließt das Öl eventuell vorhandene Haarrisse im Unterbodenschutz und beugt so Korrosion vor. Das Öl ist nicht zu verwechseln mir Unterbodenschutz auf Fett- oder Wachsbasis und kann leicht entfernt werden.

LACK – Die Königsdisziplin

Die Königsdisziplin der Fahrzeugpflege ist die Aufbereitung des Lacks, hier werden die meisten Fehler gemacht. Es gilt, so wenig vom vorhandenen Lack abzutragen wie irgendwie möglich. Um sicherzustellen, dass genügend Lack vorhanden ist, um mit einer abrasiven, also Material abtragenden Politur zu arbeiten, misst Semir Kunic vorher mit einem Schichtstärkenmesser nach. Das Ergebnis zeigt: alles im grünen Bereich.

Zunächst reinigt er den Lack mit einer speziellen Reinigungsknete, an der Insekten, Teer und andere kleine und kleinste Verschmutzungen haften bleiben. Auf einer Lösung aus Neutralreiniger und Wasser gleitet die Knete über den Lack. Einmal fertig, fasst sich der Lack fast an wie bereits poliert. Was noch fehlt, ist der Glanz. Der wird mit Politur erzeugt. Mit verschiedenen Poliermaschinen und den entsprechenden Aufsätzen kommt der Experte in jede Ecke. Wer nur einen Poliermaschine mit gleich großen Aufsätzen hat, müsste viele Ecken von Hand bearbeiten, aber das ist mühsam und kostet Zeit.

Zum Schluss wird der Dino von Hand gewachst. Das Wachs verstärkt nicht nur den Glanz, sondern versiegelt auch die Haarrisse im Lack. Anschließend erfolgt der Abtrag der trockenen Wachsreste von Hand.

UNTER DEM MIKROSKOP – Unerwartete Einblicke

Das Digitalzeitalter ermöglicht immer wieder neue Lösungen, die manchmal überraschend einfach sind. Beispielsweise gibt es die Möglichkeit, durch einen speziellen Mikroskopaufsatz mit der Kamera eines Smartphones stark vergrößerte Aufnahmen der Lackoberfläche zu machen. Die Gegenüberstellung des Vorher- und des Nachher-Fotos zeigt deutlich, wie viele Ablagerungen auf dem Lack festgesessen hatten, wobei an dieser Stelle anzumerken wäre, dass das obere Foto nach dem Waschen des Autos entstanden ist! Nach der mehrstufigen Lackkur bestehend aus der Reinigung mit Knete, dem Polieren mit einem möglichst wenig abrasiven Politurmittel und dem Versiegeln mit Wachs ist davon nichts mehr zu sehen.

INNENRAUM – Originalsubstanz um jeden Preis

Der Innenraum eines Autos wir oft vernachlässigt. Einmal kurz Staub saugen ist oft die einzige Pflege, die ihm zuteil wird. Dabei ist gerade das Naturprodukt Leder, aus dem bei allen Ferrari von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen die Sitzbezüge bestehen, auf Pflege angewiesen, wenn es Jahrzehnte überdauern soll. Hier kann man viel falsch machen, Lederexperten sprechen gerne von der „letzten Ölung“. Fett macht das Leder zwar zunächst geschmeidig, entzieht ihm wegen der in vielen Produkten enthaltenen Silikone aber auf Dauer Feuchtigkeit und trocknet es aus. Die Folge sind irreparable Risse und das Leder ist zerstört. Gerade in Zeiten, in denen das Original oft höher geschätzt und bewertet wird als die „Besser als neu“-Restaurierung, sollte man historischem Autoleder besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, denn -originales Leder ist eben nicht reproduzierbar und man sollte nie original mit originalgetreu verwechseln.

Kunic reinigt das Leder mit einem natürlichen Reiniger. Leichter Farbabtrag ist unvermeidbar und zeigt sich durch die grüne Verfärbung des Schwamms. Wäre das Leder schwarz, würde man im Schwamm keinen Unterschied zwischen Schmutz und Farbpigmenten feststellen. Da der Profi die Innenausstattung demontiert hat, repariert er bei der Gelegenheit noch einen Riss in der Mittelkonsole, indem er ihn hinterlegt.

CHROM UND ANBAUTEILE – Demontage empfohlen

Um Chrom und anderen Zierrat gründlich zu reinigen, empfiehlt es sich, Anbauteile abzunehmen. Was sich zu demontieren lohnt, entscheidet sich je nach Aufwand. Vor allem der Chrom unseres Dino scheint lange nicht mehr gepflegt worden zu sein – umso größer ist das Erfolgserlebnis beim Polieren mit Hand oder der Maschine. Semir Kunic baut bei Götz Seidels Dino Stoßstangen, Scheibenwischerarme und die Schriftzüge ab, Letztere vor allem, um auch den Lack dahinter zu reinigen. Jeder, der schon mal um einen montierten Dino- oder Ferrari-Schriftzug herum poliert hat, weiß, wie schwierig es ist, sämtliche Politurreste zu entfernen. Beim Demontieren achtet der Profi darauf, die originalen Schrauben und Muttern wieder zu verwenden, denn auch hier im Detail ist Originalzustand gefragt. Moderne Muttern passen zwar auf alte Gewinde, unterscheiden sich jedoch in Details von über 40 Jahre alten Exemplaren.

DAS ERGEBNIS – Sehen Sie den Unterschied?

Nach rund vier Tagen Arbeit ist der Dino 246 GT von Götz Seidel fertig. Auf den ersten Blick unterschiedet sich der Jetzt-Zustand der Berlinetta kaum vom optischen Eindruck nach der Wäsche. Bei genauem Hinsehen und erst recht beim Berühren der jetzt samtenen, glatten Oberfläche offenbart sich der Unterschied. Genau wie beim Blick in verborgene Winkel und Ecken. Der Lack mit seinem Haarrissen ist dank des Wachses für längere Zeit versiegelt und gegen Umwelteinflüsse im Wesentlichen gefeit. Wenn das Wachs und damit die Versiegelung regelmäßig erneuert wird, wird der Glanz nun über Jahre erhalten bleiben – auch bei einem Wagen, der wie dieser häufig gefahren wird.

Text: Gregor Schulz, Fotos: Götz von Sternenfels


Alle Bilder zu diesem Lackpflege spezial finden Sie in unserer Ausgabe 1/2019.